Suche starten Apothekensuche

Apothekensuche

Vom Wandel geprägt: wie Apothekerberuf und Apotheken entstanden sind

Offizin einer Apotheke Ende des 17. Jahrhunderts: Links der Verkauf und die Buchhaltung, in der Mitte die Herstellung und rechts die Alchemie mit dem Alembic zur Herstellung von Destillaten. Darüber schwebt ein ausgestopftes Krokodil.

Der moderne, naturwissenschaftlich orientierte Apothekerberuf ist das Ergebnis einer jahrhundertelangen Entwicklung mit verschiedensten Prägungen und Einflüssen – von der Alchemie über Entdeckungsfahrten und die Prinzipien der Aufklärung bis zur industriellen Herstellung von Arzneimitteln. Mit den Wandlungen des Berufs veränderten sich zugleich Erscheinungsbild, Aufgaben und Angebote der Apotheken.

Für Europa kann 1241 als Geburtsjahr des Apothekerberufs bezeichnet werden. Der Stauferkaiser Friedrich II. (1194–1250) erließ eine Medizinalordnung, die eine Trennung der Berufe Arzt und Apotheker vorschrieb. In dieser Verordnung wurde u. a. die Verwendung eines Arzneibuches – einer Sammlung anerkannter pharmazeutischer Regeln über Qualität, Prüfung, Lagerung und Bezeichnung von Arzneimitteln – aufgetragen, die Preise für Arzneimittel wurden gesetzlich festgelegt und die Gründung von Apotheken auf bestimmte Orte beschränkt. Auf die Einhaltung der Bestimmungen wurde der Apotheker vor der Obrigkeit vereidigt. Die »Constitutiones« Friedrichs II. galten zunächst nur für das Königreich Sizilien, wurden aber im Laufe der Zeit in ihren Kernpunkten auch von anderen Reichen übernommen.

Apotheker und Ärzte: gemeinsame Wurzeln im Heiler-, Priester- und Schamanentum

In den Jahrhunderten und Jahrtausenden zuvor waren die Grenzen zwischen den beiden Gesundheitsberufen noch fließend. Beide haben ihre Wurzeln im Heiler-, Priester- und Schamanentum. Manche dieser heilkundigen Männer und Frauen waren nach unserer heutigen Einteilung eher Pharmazeuten, andere Chirurgen, Wundärzte, Feldscher* oder Harnschauer. Die »Constitutiones« stellten an Apotheker und Ärzte nicht nur Qualitätsanforderungen, sondern verboten auch, dass ein und dieselbe Person beide Berufe ausübte. Ein neuer Anstoß für die Pharmazie kam vonseiten der Alchemie. Die Alchemisten versuchten den »Stein des Weisen« zu finden, mit dem sie unedle Metalle in Gold verwandeln wollten, als auch das »Große Elixier«, eine Universalmedizin, die auf den menschlichen Körper heilend, stärkend und verjüngend wirken sollte. Dabei bedienten sie sich chemischer Apparaturen und Prozesse. Diese experimentelle Arbeit bereicherte die Pharmazie außerordentlich und erweiterte die Chemiekenntnisse der Apotheker. Damit war jene Grundlage geschaffen, welche die Selbständigkeit des Fachbereichs Pharmazie garantierte und die Entstehung der Apotheke im eigentlichen Sinn vorantrieb.

Aura des Unerklärlichen durch »geheimnisvolle« Substanzen und Latein

Für die Ausübung des Berufs wurden die Kenntnis der lateinischen Sprache und eine mehrjährige praktische Unterweisung in einer Apotheke verlangt. Die Apotheker waren im Gegensatz zu den Handwerkern nicht in einer Zunft zusammengeschlossen. Ihr Beruf entwickelte sich ohne obrigkeitliche Eingriffe aus dem Kaufmannsstand. Damit gehörten sie, wie die Großhändler oder Gewandschneider und Tuchhändler, von Anfang an dem Patriziat an und genossen hohe Achtung. Die Auseinandersetzung und Manipulation mit den verschiedensten »geheimnisvollen« – weil in lateinischer Sprache und daher für das gewöhnliche Volk unverständlichen – Substanzen umgab sie mit einer Aura des Unerklärlichen. Dazu kam noch, dass Apotheker Bücher und ein reiches Wissen über Kräuter besaßen. Sie stellten Tinkturen und Heilmittel in einem eigenen Laboratorium mit mitunter eigenartig anmutenden Geräten her.

Die ersten Apotheken in Österreich

Die ersten Apotheken auf dem Gebiet des heutigen Österreichs entstanden überwiegend in Städten, die besonders verkehrsgünstig lagen. Schon 1303 wurde in Innsbruck eine »Apotheka« erwähnt, in der unter anderem auch Wachs und Pfeffer verkauft wurden. Es ist überliefert, dass es in Wien bereits 1320 eine Apotheke gab, in Graz 1330, in Krems 1344, in Wiener Neustadt 1348, in Salzburg 1364 und in Judenburg 1429. Bis 1650 hatte sich die Zahl der Apotheken auf österreichischem Gebiet auf ungefähr 50 vermehrt. Zu den ältesten, heute noch bestehenden zählen die Feldapotheke »Zum goldenen Greif« am Wiener Stephansplatz (um 1320 gegründet), die Stadtapotheke Innsbruck (1326 gegründet und seit 1578 in Familienbesitz) und die Wiener Apotheken »Zum schwarzen Bären« und »Zum schwarzen Mohren« (Mitte des 14. Jahrhunderts gegründet), »Zur goldenen Krone« (gegründet 1380), »Zum roten Krebs« und »Zum weißen Engel« (um 1440 eröffnet).

Die Gründung einer Apotheke setzte ein gewisses Vermögen voraus – die Einrichtung der Offizin, das Warenlager und das Personal verursachten beträchtliche Kosten –, und es musste ein geeignetes Gebäude vorhanden sein. In einigen Bundesländern (Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark) trifft man auf Apotheken mit dem Namen »Landschaftsapotheke«. Die steirischen Landstände, die auch als »Landschaft« bezeichnet wurden, gründeten 1535 in Graz die erste »Landschaftsapotheke«, die Eigentum der Stände war und dem Apotheker nur pachtweise überlassen wurde. Weitere Landschaftsapotheken entstanden 1599 in Radkersburg und 1608 in Leoben. 1618 bezahlten die Stände einen Apotheker für Judenburg, der sich in Folge nun auch »Landschaftsapotheker« nennen durfte. Derartige Apotheker gab es auch in Niederösterreich. In verschiedenen Teilen des Landes sollten jeweils ein Arzt, ein Apotheker und ein Wundarzt durch die »Landschaft« finanziert werden. So entstanden unter anderem die Landschaftsapotheken in Mistelbach (1582), St. Pölten (1589), Melk (um 1595), Horn (1597) und Baden (um 1600).

Dispensatorium pharmaceuticum Austriaco-Viennense – das erste durch Regierungsverordnung für alle österreichischen Länder geltende Arzneibuch (Ausgabe von 1727).

Das Krokodil und der Alembic in der Apotheke

Nachdem alles Exotische im Mittelalter und in der frühen Neuzeit als besonders heilkräftig galt, stellten Apotheker gerne aus fremden Ländern importierte Kuriositäten in ihrer »Werkstätte« (lat. Offizin) aus, darunter Krokodile oder Einhörner – also die Stoßzähne von Narwalen, aber auch Schlangen, Klauen von Elchen, Hörner von Nashörnern, Straußeneier, Korallen, Elfenbein, Perlmutter oder Kokosnüsse.

Wie eine Apotheke des Spätmittelalters ausgesehen hat, ist uns durch Gemälde und Zeichnungen erhalten. Man verwendete Regale mit Holz- und Tongefäßen zur Aufbewahrung der Drogen und Essenzen, Waagen, die eine genaue Dosierung ermöglichten, Mörser aus Eisen oder Bronze zum Zerkleinern der Rohstoffe und den Alembic, einen Apparat zur Herstellung von Destillaten. In der Offizin befand sich ein Arbeitstisch, auf dem die Rezepturen zubereitet werden konnten.

Der Rezepturtisch mit der typischen Apothekerwaage prägte über Jahrhunderte das Erscheinungsbild der Offizin.

Die Zeit der Renaissance

Der Schweizer Theophrast Bombast von Hohenheim (1493 od. 94–1541), besser bekannt unter dem Namen Paracelsus, löste einen weiteren Fortschrittsschub aus. Er gilt als großer Erneuerer der Medizin und Begründer der Chemiatrie. Diese Therapie mit verschiedenen chemischen Elementen bzw. Verbindungen entwickelte der vielseitig interessierte Gelehrte – er war nach heutigem Verständnis zugleich Astrologe, Alchemist, Arzt, Naturphilosoph, Naturmystiker, Laientheologe und Sozialethiker – aus der Alchemie. Paracelsus war der Meinung, es gebe gegen jede Krankheit ein spezifisches Heilmittel und betrieb entsprechende Forschungen. Unter anderem stellte er Versuche mit Metallen und ihren Salzen an und prüfte sie auf ihre Verwendbarkeit in der Heilkunde. Dabei wurden die chemisch dargestellten Pharmaka (Chemiatrika) mittels alchemistischer Arbeitsweisen wie etwa der Spagyrik hergestellt. Zugleich brachten Entdeckungsfahrten bisher unbekannte Pflanzen und Heilstoffe aus allen Teilen der Welt nach Europa. Durch die Erfindung des Buchdrucks konnte das medizinische und pharmazeutische Wissen rasch verbreitet werden. 1546 erschien das erste amtlich verbindliche Arzneibuch, und Apothekermaße und -gewichte wurden zusehends vereinheitlicht.

Forschende Apotheker sorgen für Innovationen

Der Apotheker des 17. Jahrhunderts hatte neben seiner Tätigkeit mit Pflanzen auch chemische Vorgänge zu beherrschen; sein neuer Arbeitsplatz sollte ab nun das gut ausgerüstete Apothekenlabor sein, das sich im 17. und 18. Jahrhundert auch zu einer Stätte der chemischen Forschung entwickelte. Genannt seien die Morphinisolierung (Friedrich Wilhelm Sertürner), die Entwicklung von Backpulver (Dr. August Oetker), die Entdeckung chemischer Elemente (Martin Heinrich Klaproth entdeckte unter anderem Zirkon, Uran, Titan und Strontium) und die Einführung der Wiener Gasbeleuchtung (Josef Moser, der ein brennbares Gas zur Beleuchtung seiner Apotheke erzeugte, und Georg Pfendler, der das erste Gaswerk in Wien errichtete) – all dies sind Beispiele für den Forschergeist einzelner Apotheker.

Die Ausbildung der Pharmazeuten erfolgte bis ins 19. Jahrhundert nach handwerklichem Brauch, vom Lehrling und Gesellen bis zum Meister. Die Anforderungen an die Berufsanwärter waren hoch, Lateinkenntnisse blieben Voraussetzung zum Verständnis der inzwischen reichlich vorhandenen Literatur.

Der Apotheker Johann Friedrich Ludwig Koch entwickelte ein Verfahren zur industriellen Gewinnung von Chinin, das bis 1940 das einzig wirksame Mittel gegen Malaria war.

18. Jahrhundert: Glas und Porzellan ersetzen bunte Fayencen und Zinnbüchsen

Das Aussehen der Apotheken hatte sich Ende des 18. Jahrhunderts gründlich geändert. Im Geist der Aufklärung und aufgrund der Fortschritte in der Medizin und den Naturwissenschaften erfolgte ein völliger Wandel in der Arzneitherapie, der sich auch in der Gestaltung der Apotheken niederschlug. Aus den Apotheken wurden die Kuriositäten, die bunten Fayencen und Zinnbüchsen verbannt und durch einfach und zweckmäßig gestaltete Gefäße aus Glas oder Porzellan ersetzt. Die geheimnisvoll wirkende Offizin wandelte sich und wurde zu einem schlichten, aber freundlich wirkenden Verkaufsraum. Kernstück des Betriebs war nach wie vor der Raum für die Herstellung und Abgabe der Arzneien, die Offizin, mit dem Rezepturtisch in der Mitte, auf dem die Apothekerwaage und sonstige Kleingeräte standen, die für die Rezepturarbeiten notwendig waren. An den Wänden befanden sich Arzneischränke, im unteren Teil mit Schubladen unterschiedlicher Größe versehen, darüber waren teils offene, teils mit Glastüren verschlossene Regale angebracht, in denen sich, nach Größe und Alphabet geordnet, Flaschen und sonstige Behältnisse aus Glas, Porzellan oder Holz befanden. An Nebenräumen gab es die Materialkammer für größere Vorräte und ein Laboratorium, ausgestattet mit Herd, Destillierapparat, Mörsern, Schneidbrettern, Sieben, Tinkturpressen unter anderem Außerdem gehörten zur Einrichtung einer Apotheke ein Kräuterboden und ein Arzneikeller.

Die 1776 von Maria Theresia erlassene Arzneitaxe war in der ganzen Donaumonarchie gültig. Auf 112 Seiten legte sie die Preise für Arzneimittel und Behältnisse fest.

Österreich als Vorreiter: verpflichtendes Pharmaziestudium ab 1804

Bis 1770 gab es keine einheitlichen, für alle Länder Österreichs geltenden Regelungen des Apothekenwesens. Die einzelnen Länder und städtischen Magistrate gaben eigene Apothekerordnungen und Vorschriften heraus. Diese orientierte sich an den »Constitutiones« Friedrichs II. und bestimmten u. a. die Berufsausbildung und die Voraussetzungen, die zur Leitung einer Apotheke berechtigten, weiters das Verbot, mehr als eine Apotheke zu besitzen und die Verwendung eines Arzneibuchs. Außerdem regelten sie die Abgabe von stark wirkenden Mitteln und Giften und die Kontrolle (Visitation) der Apotheken.

Erst unter Kaiserin Maria Theresia kam es 1770 durch das Sanitäts-Hauptnormativ zu einer einheitlichen Regelung des Apothekenwesens in der Habsburgermonarchie. Hervorgehoben seien die damals in Kraft getretenen Verordnungen hinsichtlich der Ausbildung der Apotheker. Ab sofort musste jeder Leiter einer Apotheke in den Habsburgischen Ländern an einer inländischen Universität Prüfungen ablegen. Die Zulassung zu diesen Prüfungen war an den vorherigen Besuch bestimmter Vorlesungen und Übungen an der Universität gebunden. Kaiser Joseph II. setzte die Gesundheitsreformen seiner Mutter fort. Mit Hofentschließung vom 31. August 1782 wurde es jedem »ordentlichen gelernten und examinierten Apotheker« nach vorheriger Überprüfung gestattet, eine Apotheke zu eröffnen. Im Jahr 1804 wurde in Österreich als dem ersten Land überhaupt das Pharmaziestudium zur verpflichtenden Voraussetzung für die Berufsausübung. Der akademische Grad eines Magisters der Pharmazie (Mag. pharm.) wurde ab etwa 1840 üblich und 1853 amtlich festgelegt. Frauen wurden ab 1900 zum Pharmaziestudium zugelassen.

Darstellung eines Apothekerlabors im Chemischen Apothekerbuch von Adolf Duflos (um 1860).

Aufgabenwandel durch die Errungenschaften der pharmazeutischen Industrie

Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts begann dank der großen Errungenschaften der pharmazeutischen Industrie auch eine weitere wesentliche Umstellung der Apotheken. Der Apotheker wandelte sich vom Heilmittelhersteller zum spezialisierten, wissenschaftlich ausgebildeten Arzneimittelexperten, der sich vorrangig der Prüfung der Qualität und Identität von Medikamenten sowie der pharmazeutischen Beratung widmete. Die moderne universitäre Pharmazieausbildung berücksichtigte die neuen Anforderungen an die Apotheker. Darum liegt der Schwerpunkt heute in der pharmakologischen und biochemischen Ausbildung.

Mit Zunahme der Bevölkerung und nach Einführung der ersten Krankenversicherungen 1888 kam es vermehrt zu Apothekengründungen. Gab es um 1650 in Österreich um die 50 Apotheken, so stieg deren Anzahl 1925 auf 574, die Tausendermarke wurde 1994 überschritten, und im Jahr 2023 versorgen 1.415 öffentliche Apotheken und 42 Krankenhausapotheken die österreichische Bevölkerung.

Heute stehen Apothekerinnen und Apothekern in ihrem Arbeitsalltag technische Hilfsmittel – von vollautomatischen Lagerrobotern über Point-of-Care-Diagnosegeräte bis zu Reinraumtechnologie – und Arzneimittel in einer Qualität zur Verfügung, von der ihre Berufsvorgänger nur träumen konnten. Das übergeordnete Ziel ist jedoch seit Jahrhunderten dasselbe: Menschen mit Arzneimitteln zu versorgen, sie kompetent zu beraten und gewissenhaft zu betreuen.

* Ein Feldscher war ein Heilkundiger, der Verwundungen von Soldaten chirurgisch versorgte und darum später auch Heereswundarzt genannt wurde, obwohl dem Beruf keine akademische Ausbildung zugrunde lag. Die Bezeichnung entstand im 14. Jahrhundert in der Schweiz.

Dieser Beitrag basiert auf einem Text von Prof. Dr. Hans W. Bousska aus seiner Publikation »Medizin in Wien. Spitäler und Apotheken im Wandel der Zeit« und wurde unter Mitarbeit von Mag. Franz Biba ergänzt und erweitert.